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Statement von Markus Neuherz anlässlich der Präsentation von Maßnahmen der Bundesregierung im Ministerratsfoyer am 21.6.2023

Von 21. Juni 2023 Keine Kommentare
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Statement von Markus Neuherz anlässlich der Präsentation von Maßnahmen der Bundesregierung im Ministerratsfoyer am 21.6.2023

Von 21. Juni 2023 Keine Kommentare

Statement von Markus Neuherz, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich und Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats, anlässlich der Präsentation von Maßnahmen der Bundesregierung im Ministerratsfoyer am 21.6.2023

In jungen Jahren werden die Weichen gestellt für das weitere Berufsleben. Die Entscheidungen, die nach der Schule getroffen werden, beeinflussen üblicherweise den Werdegang für die nächsten Jahrzehnte.
Für junge Menschen mit Behinderungen wurden die Weichen bisher aber leider viel zu oft Richtung Abstellgleis gestellt. Das Abstellgleis lautet Arbeitsunfähigkeit. Ist einmal die Arbeitsunfähigkeit festgestellt, hat man diesen Stempel ein Leben lang und wird ihn auch nicht mehr los. Das hat auch zur Folge, dass man keinen bezahlten Arbeitsplatz bekommt und auch keinen Pensionsanspruch erwirbt.

Aber warum ist das so?
Das Arbeitsmarktservice ist aktuell gesetzlich verpflichtet, festzustellen, ob jemand arbeitsfähig ist oder nicht. Die Feststellung erfolgt nach rein medizinischen Kriterien und es wird entlang einer willkürlich gezogenen Grenze festgelegt, wer noch als arbeitsfähig gilt und wer schon als arbeitsunfähig eingestuft wird und somit keinen Zugang zu den AMS Leistungen und Angeboten erhält.

Warum ist das zu ändern?
In Österreich ist seit 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Laut dieser Konvention sind Bund, Länder, Gemeinden und alle nachgelagerten Stellen dazu verpflichtet, auch Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu einem inklusiven Arbeitsmarkt zu gewährleisten.

Das bedeutet auch, dass Menschen mit Behinderungen – wie auch allen anderen Menschen – die entsprechende Unterstützung durch das AMS zusteht. Diese Unterstützung war bisher nicht gewährleistet, weil das AMS für sogenannt „arbeitsunfähige“ Personen nicht zuständig war.

Was wird jetzt neu?
Mit der heute angekündigten Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des Arbeitsmarktservicegesetztes wird eine viel kritisierte Diskriminierung abgestellt und die langjährige Forderung vieler Menschen mit Behinderungen, Angehöriger und Behindertenorganisationen umgesetzt:

Menschen mit Behinderungen sollen nun – unabhängig vom Ausmaß ihrer Arbeitsfähigkeit – bis zu ihrem 25. Lebensjahr endlich den vollen, gleichberechtigten Zugang zu den Unterstützungsleistungen des AMS und des Sozialministeriumsservice erhalten, um ihre Chancen auf Ausbildung und Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt maßgeblich zu erhöhen.

Das ist aus meiner Sicht eine durchaus historische und maßgebliche Weichenstellung hin zu einem inklusiveren Arbeitsmarkt. Und ich möchte mich an dieser Stelle auch bei Ihnen, Herr BM Kocher und bei Ihnen, Herr BM Rauch für Ihren sehr klar erkennbaren politischen Willen, die Situation von Menschen mit Behinderungen mit dieser Maßnahme zu verbessern, bedanken.

Ist nun bereits alles getan, was zu tun ist, um allen Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren?
Nein, noch nicht. Es ist ein guter Anfang gemacht, aber es gibt noch einiges zu tun.

Als erster wichtiger Schritt ist nun sicherzustellen, dass vom AMS und vom Sozialministeriumservice auch die entsprechenden Angebote und Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden, um Menschen mit Behinderungen bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten und sie bei der Arbeitssuche und beim Jobeinstieg zu unterstützen.

Ebenso wichtig ist, dass es ein gutes Zusammenwirken zwischen den Angeboten der Länder und des Bundes gibt. Es gibt hier wichtige Schnittstellen, die eine gute Kooperation und Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfordern, um Menschen mit Behinderungen Zugang zu Qualifizierung und letztlich zu dauerhaften Jobs zu gewährleisten. Ebenso ist weiterhin mit großer Achtsamkeit auf die Bedarfe und Bedürfnisse von Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf einzugehen, die primär tagesstrukturierende und therapeutische Angebote benötigen.

Ebenso ist – wie schon erwähnt – die langjährige Forderung „Gehalt statt Taschengeld“ für jene Menschen umzusetzen, die als arbeitsunfähig eingestuft wurden und auf Taschengeld-Basis in Behindertenwerkstätten arbeiten.

Was wurde hier noch nicht erwähnt?
Abschließend darf ich noch auf eine ganz wesentliche Voraussetzung für den gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu einem inklusiven Arbeitsmarkt eingehen:

Alle Maßnahmen, die heute erwähnt wurden, sind ausgesprochen wichtig. Sie benötigen aber ein Fundament, auf dem sie aufgebaut werden können. Dieses Fundament ist ein inklusives Bildungssystem.

Ein inklusives Bildungssystem ist ein Bildungssystem, das allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderungen gewährleistet, gemeinsam mit allen anderen Kindern in den Kindergarten und in die Schule gehen zu können, Berufsausbildung zu machen und studieren zu können.

Ich möchte mich daher noch einmal bei Ihnen beiden für die heute präsentierten, sehr entscheidenden rechtlichen Weichenstellungen bedanken, bin zuversichtlich, dass das AMS, das Sozialministeriumservice und die Länder auch entsprechend abgestimmt die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen konzipieren werden und hoffe nun auch auf einen ähnlichen politischen Gestaltungswillen des Herrn Bildungsministers und der Länder im Hinblick auf die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems. Es ist hier ein Maßnahmenpfad zu entwickeln, der von der Elementarbildung, über die schulische Bildung bis hin zur Berufsausbildung und zur universitären Bildung allen Menschen mit Behinderungen eine chancengleiche Teilhabe ermöglicht.