Altern

Die Anzahl alter Menschen mit intellektuellen Behinderungen wird in den kommenden Jahren wesentlich zunehmen. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung stieg in den letzten Jahrzehnten deutlich und nähert sich der ihrer Mitmenschen an.

Pflege

Derzeit begleitet allein die Lebenshilfe über 2.000 Menschen, die über 50 Jahre alt sind sowie etwa 650 Menschen, die über 60 sind. Altern soll für sie wie für alle Menschen ein wesentlicher und aktiver Abschnitt sein, erfüllt mit Lebensfreude und hoher Aktivität aber auch mit spezifischen Herausforderungen.

Ältere und alte Menschen sollen aus einer Vielfalt an Wohnmöglichkeiten und personenzentrierten Unterstützungsangeboten die für sie richtigen wählen können. Personenzentriert zu begleiten bedeutet, eine Person mit all ihren Fähigkeiten, Ressourcen und Träumen in den Mittelpunkt zu stellen.

Höhere Lebenserwartung

Noch nie haben Menschen mit intellektuellen Behinderungen ein so hohes Alter erreicht. 1929 betrug die mittlere Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom noch neun Jahre. 1996 lag sie bereits bei 62 Jahren. Bis 2030 rechnen Altersforscher mit einer Verzehnfachung der über 60-jährigen mit intellektuellen Behinderungen in Österreich. Diese rasante Altersentwicklung bei Menschen mit intellektuellen Behinderungen ist nur in Österreich und Deutschland zu beobachten. Grund dafür ist das so genannte T4-Programm des Nationalsozialismus, unter dessen Befehl rund 200.000 Menschen mit Behinderungen ermordet wurden. Bisher fehlten diese Jahrgänge in den Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Doppeltes Altern

Die Gesellschaft und das Sozialsystem in Österreich sind auf diese Entwicklungen nicht vorbereitet. Über ein Drittel der über 40-jährigen Menschen mit intellektuellen Behinderungen leben weiterhin bei ihren Eltern. Im Alter beobachten wir in diesen Familien das Phänomen des doppelten Alterns: Hochbetagte Eltern sind mit der Pflege ihrer ebenfalls alternden Kinder überfordert. Eine große Sorge der Eltern ist, wer nach ihrem Ableben ihre Rolle einnimmt, sich für ihre Kinder einsetzt, sie begleitet und pflegt. Es stellt sich die Frage, wo die in den kommenden Jahren stark anwachsende Zahl von älteren Menschen mit intellektuellen Behinderungen wohnen und betreut werden soll. Es braucht mobile, ambulante und stationäre Formen der Unterstützung.

Selbstbestimmung im Alter

Derzeit haben Menschen mit intellektuellen Behinderungen de facto keine Mitsprache über den Ort ihres Zuhauses im Alter, weil es keine Wahlmöglichkeiten gibt. Die Lebenshilfe Österreich fordert für Menschen mit intellektuellen Behinderungen dieselben Bedingungen wie für alle älteren Menschen in Österreich auch. Sie haben ein Recht darauf, ihren dritten Lebensabschnitt zu Hause, in der eigenen Wohnung, im betreuten Wohnen in einer Wohngemeinschaft oder in einem Wohnhaus in ihrer Heimatgemeinde zu leben. Pflegeheime sind keine geeigneten Wohnorte, da die Lebenshilfe aufgrund der bisherigen Erfahrungen davon ausgeht, dass Menschen mit Behinderungen mit einer aktivierenden Tagesbegleitung und guter Pflege bis zu ihrem Tod in den Wohnhäusern der Behindertenhilfe leben können. Das Recht auf Wohnen für Menschen mit Behinderungen ist im Artikel 19 der UN-Konvention verankert. Dort heißt es, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, selbst entscheiden zu können, wo, wie und mit wem sie leben möchten.

Materielle Sicherheit im Alter

Um den Lebensabend in Alter in Würde und Sicherheit verbringen zu können, brauchen Menschen mit intellektuellen Behinderungen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen und Rente. Auch sie, die mehrheitlich ihr Erwachsenenleben in Werkstätten verbracht haben, müssen in Pension gehen können und ihre Lebensleistungen honoriert bekommen.

Überblick in Zahlen:

  • In Österreich wird mit einer Verzehnfachung der über 60-jährigen mit intellektuellen Behinderungen bis 2030 gerechnet; in den angelsächsischen Ländern beispielsweise nur mit einer Verdoppelung.
  • Derzeit leben in Österreich geschätzte 85.000 Menschen mit intellektuellen Behinderungen.
  • Exakte Daten über Menschen mit Behinderungen fehlen. Im Seniorenbericht der österreichischen Bundesregierung sind Senior*innen mit Behinderungen nicht erwähnt, als ob es sie nicht gäbe.
Deklaration von Graz über Behinderung und Alter

Studie Inklusives Altern

Die Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH haben gemeinsam mit der Lebenshilfe Österreich eine Studie zum Thema „Inklusives Altern“ in Auftrag gegeben, die 2022 erschien.

Erstmals wurden dabei Daten gesammelt und daraus resultierend auch Handlungsempfehlungen für die zukünftige Gestaltung von Angeboten und Dienstleistungen für die Zielgruppe erarbeitet.

Das Forschungsbüro „queraum.kultur- und sozialforschung“ und das „Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte“ wurde mit der Umsetzung der Studie beauftragt. Finanziert wurde sie aus Mitteln des Bundesministeriums für Soziales und von der Lebenshilfen Sozialen Dienste GmbH.

Studie "Inklusives Altern"
Zusammenfassung der Studie "Inklusives Altern" in Einfacher Sprache

Die Studie „Inklusives Altern“ wurde am 7. November online über Zoom einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Das folgende Video ist eine Aufnahme der Präsentation. In den ersten 30 Minuten wurden die Ergebnisse in einfacher Sprache präsentiert – anschließend folgte eine detailliertere Präsentation.

Präsentation der Studien "Inklusives Altern"

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Die Lebenshilfe Österreich fordert von der Regierung eine Absicherung und Wahlmöglichkeiten im Alter.

Menschen mit intellektuellen Behinderungen haben das Recht auf ein eigenständiges Leben im Alter. Dazu müssen Pflichtleistungen wie Pensionsversicherung und Krankenversicherungen in den Behinderten- und Sozialhilfegesetzen der Bundesländer verankert werden. Erst mit inklusiven Dienstleistungen wie mobile Dienste, Altenpflege und Seniorenwohnungen erhalten ältere Menschen mit intellektuellen Behinderungen eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu müssen jetzt geschaffen werden.